Peru – Tag 9 – „Ruinen“

Ich stehe gegen 8:30 Uhr auf, frühstücke und lasse mir von der netten Gastgeberfamilie den Weg zur Abfahrtstelle des Collectivo nach Yungay erklären. Zum Glück regnet es nicht und ich finde ziemlich schnell einen Minibus, der mich und meinen großen Trekkingrucksack mitnimmt. Wir geraten auf dem Weg in eine Polizeikontrolle und alle außer der Gringo müssen ihre Pässe vorzeigen. Über die Städte Yungar, Carhuaz und kleinere Dörfer gelange ich für 5 Soles nach Yungay. Ich steige mit einer Familie am Straßenrand aus und will mich auf Taxisuche begeben. Die Lodge befindet sich schließlich nochmal ca. 1 Stunde Fahrt den Berg hinauf. Da spricht mich aber bereits der Familienvater an und fragt, wo ich denn hinmöchte. Ich mache ihm in gebrochenem Spanisch klar, dass ich zur Llanganuco Lodge möchte und er bietet an mich für 50 Soles mitzunehmen. Jackpot! Genau mit dem Preis habe ich gerechnet und so geht es mit dem klapprigen Kombi von Luiz und seiner vollschlanken Frau und wohlgenährtem Baby auf der Rückbank über Serpentinen hinauf zur Lodge. Den gleichen Weg bin ich bereits zum Start des Santa Cruz Trek gefahren. Auf halber Strecke steigt Senorita aus und wir zuckeln nur noch zu zweit durch Pfützen und Schlaglöcher weiter den Berg hinauf. Leider hat es wieder angefangen zu regnen. Ich unterhalte mich ein wenig mit Luiz. Ein Hoch auf meinen Spanischkurs auf Teneriffa und ein paar Semester Spanisch im Studium. Notiz an mich selbst: Lern Spanisch, dann macht das Reisen in Südamerika noch mehr Spaß! An der Lodge angekommen begrüßt mich Sebastián in perfektem Englisch. Der Inhaber Charlie sei aktuell in Spanien, weshalb er in der Zwischenzeit die Lodge managt. Die Lodge besteht aus einem Haupthaus sowie über Terrassen zu erreichendes Restaurant/Lounge/Bar. Den Hang hinab hat man einen tollen Blick auf grün-braune Hügel, vereinzelte Dörfer und die Cordillera Negra. Den Hang hinauf liegt die Cordillera Blanca, leider zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der Bewölkung nicht zu erkennen. Energie wird über Solarpanels erzeugt und das direkt aus dem Wasserhahn trinkbare Wasser stammt aus einer Bergquelle. Sebastián erklärt mir die wichtigsten Regeln der Lodge: Die Hunde (3 Rhodesian Ridgebacks – Shackleton, Dino und Zulu) keinesfalls füttern und Klopapier, unüblich für Peru, im Klo herunter spülen. Mein Zimmer (ein Family Room – eigentlich passen 7 Personen rein) ist super. Ich habe Bad/Dusche, ein riesiges Bett und Terrasse mit Blick auf die Bergkette der Cordillera Negra. Die Lodge liegt auf einer Höhe von 3.504 m und ich spüre das auch. Nach ein paar Metern Treppenlaufen bin ich bereits außer Puste. Zur Not habe ich ja meine Coca-Blätter dabei. An Dehydrierung werde ich auch nicht leiden, da Wasser in Massen vorhanden ist. Nach Abladen meines Gepäcks und Anlegen der Regenklamotten, mache ich mich auf den Weg zum See und den Ruinen von Keushu, die direkt neben der Lodge liegen. Das Wetter bessert sich und ich fühle mich wie im Paradies. Der See leuchtet hellblau und im Hintergrund türmt sich die Cordillera Blanca auf. Einzig die Spitzen der großen Gipfel sind noch in den Wolken versteckt. Als ich die Chulpa (Grabgebäude) auf dem Haupthügel der Ruine inspiziere, fühle ich mich ein Abenteurer, eine Art Gore-Tex Indiana Jones. Während ich mich gebückt durch das Steingebäude bewege erinnere ich mich an ein Buch und Film, bei dem die Hauptfiguren auf einem Trip in Südamerika in einer Ruine von einer Pflanze „infiziert“ werden, die dann in deren Körper weiterwächst und sie nach und nach umbringt (Für die Interessierten hier der Link). Ich versuche den Kontakt mit außergewöhnlich aussehenden Pflanzen so gering wie möglich zu halten. Das Steingemäuer wird erklommen und ich genieße die Aussicht auf den See und einen Tempelkomplex (bzw. dessen Mauern) am westlichen Ende des Sees. 2006-2008 haben Archäologen die Ruinen untersucht und in dem Grabgebäude sollen ca. 100 Skelette im unteren Geschoss lagern. Mir wird etwas mulmig zumute, aber ich tröste mich mit dem Gedanken, dass das Untergeschoss wieder versiegelt wurde, nachdem die Archäologen ihre Arbeit abgeschlossen hatten. Nach zigfachen Fotos vom Dach der Chulpa wandere ich hinüber zum ehemaligen Tempelkomplex, den man viel besser von Oben ausmachen konnte. Ich steige über die Mauern und bekomme Gänsehaut, als ich durch das hohe Gras durch die einzelnen „Gebäude“ streife. Ganz allein fühlt es sich hier schon seltsam an. Das größte Gebäude der Anlage soll laut den Archäologen bis zu 7 m hoch gewesen sein. Innerhalb der Grundmauern stehen einige größere Steine (Huancas; „Wankers“ ausgesprochen), die versteinerte Vorfahren darstellen sollen. Ich lasse die Alten in Ruhe weiter chillen und mache eine Runde um den See. Wenn das Wetter die nächsten Tage gut ist, werde ich mich vielleicht auch mal zu einem Sprung in den See durchringen können (hoffentlich ohne Herzinfarkt). Ich passiere große Felsen am nördlichen Rand des Sees, an denen man verblichene Höhlenmalereien ausmachen kann. Laut Sebastián stammen die ersten Spuren von Menschen in dieser Gegen von 3500 v. Chr. Zum Ende der Seeumrundung stelle ich mich bei Regen in einige Tsacpa-Büsche und beobachte Kolibris (laut Infosheet: Sparkling Violetear, Green-Tailed Trainbearer und Shining Sunbeam) – die sich nur sehr schwer fotografieren lassen. Auf dem Weg zurück zur Lodge denke ich mir, wie schön es sein muss Besitzer dieser Lodge in einer solch traumhaften Lage zu sein. Um 18 Uhr gibt es Abendessen und ich treffe die aktuell nur drei anderen Gäste. Anscheinend habe ich eine Gruppe Deutscher um einen Tag verpasst. Nicht schlimm, Deutsche treffe ich auf Reisen oft genug. Ich setze mich zu der Familie aus Australien – genauer aus Tasmanien. Pete, Sam und Paige wohnen in Launceston und sind auf einem 6-wöchigen Südamerika-Trip. Bei einem über 30 Stunden-Flug von Tasmanien nach Südamerika muss man es auch auskosten, denke ich mir. Nach der Lodge geht es für sie weiter nach Ecuador und auf die Galapagos-Inseln. Den Inca-Trail nach Machu Picchu haben sie schon hinter sich. Das Abendessen (3 Gänge!) ist super lecker und ich kann mich mit den Aussies über Trekking auf Tasmanien (Overland Track etc.) unterhalten. Sie erzählen mir außerdem, dass sie in Cusco in eine Demo von Farmern geraten sind und vor Tränengas flüchten mussten. Hört sich nach einer Menge Action an.

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